Liebe Trauergemeinde,
es ist für uns alle unglaublich, dass wir uns heute hier versammeln müssen, um unserem lieben Freund Norbert Stanzel das letzte Geleit zu geben und ich darf im Namen aller Couleurstudenten und Freunde, die heute zur Verabschiedung gekommen sind, Ihnen, sehr geehrte Frau Stanzel, und euch, Felix, Fabian, Franziska und Florian und der gesamten Familie, unser tief empfundenes herzliches Beileid ausdrücken.
Rezipiert vor ziemlich genau 43 Jahren bei der MKV-Verbindung Bavaria, sechs Jahre später Aufnahme bei der ÖCV-Verbindung Rugia und 1988 die Ehrenbandverleihung bei der katholischen Mittelschülerinnen- und Mittelschülerverbindung Clunia Feldkirch. Zwischen 1978 und 1990 zahlreiche Funktionen in seinen Verbindungen und im Mittelschüler-Kartell-Verband. Er hat viele unterschiedliche Aufgaben übernommen, um vieles mehr als das in unseren Vereinigungen geforderte Mindestmaß. Und er hat sie alle vorbildlich ausgeübt. Das sind die Fakten zum Couleurstudenten Norbert Stanzel.
Unseren Freund Norbert mit dieser nüchternen Ansammlung von Daten beschreiben zu wollen, das würde ihm bei weiten nicht gerecht werden. Weder seiner Lebensfreude noch seinem politischen Geist und schon überhaupt nicht seiner Herzlichkeit.
Nur eine Woche nach seinem 14. Geburtstag wurde Norbert Stanzel bei Bavaria rezipiert. Nach seiner Burschung stieg er rasch zu einer Leitfigur auf, kreativ und innovativ, widmete sich voller Emotionalität dem Couleurstudententum und fungierte bereits in jungen Jahren als Mentor, Lehrer und Förderer für so manchen seiner Bundesbrüder. Norbert weckte in ihnen nicht nur die Liebe zum Couleurstudententum. Das wäre ihm zu wenig gewesen.
Er blickte immer über den Tellerrand und hatte den größeren Gesamtzusammenhang im Sinn. Ihr Umfeld sollten seine Freunde und Bundesbrüder mitgestalten, hinaus in die Gesellschaft sollten sie mit ihren Überzeugungen gehen und nach unseren Werten und Prinzipien im Berufsleben wirken. Sie sollten Berufe ergreifen, mit denen sie die Gesellschaft verändern konnten. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er in ihnen die Neugierde auf die Welt weckte. Ganz oben stand für ihn dabei der Journalismus. Und was er den anderen als Medizin verschrieb, das nahm er auch selbst ein.
Unser Norbert gehörte federführend zu jener Gruppe junger Kartellbrüder, die Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre, die Schulpolitik des MKV neu dachten, gestalteten und umsetzten. Und mit ihren Überlegungen und Konzepten Erfolg hatten und Einfluss ausübten. Denn selbst sozialdemokratische Unterrichtsminister konnten sich den Forderungen des damaligen MKV nicht zur Gänze entziehen und übernahmen daher nolens volens den einen oder anderen Gedanken für ihre Schulgesetzgebung.
Norbert Stanzel war nicht nur Bavare mit Leib und Seele. Er war auch ein MKVer, der wusste, was wichtig war und wie man den Mittelschüler-Kartell-Verband positionieren musste. Nach dem ersten Engagement im Wiener Stadtverband des MKV bekleidete er bereits mit noch nicht einmal 18 Jahren höchste Funktionen im Gesamtverband. Vier Jahre organisierte er als Kartellconsenior umsichtig die schulpolitischen Aktivitäten und vertrat daneben unseren Verband auch im Vorstand der Union Höherer Schüler. Von 1985 bis 1988 übernahm er als Kartellsenior und damit höchster Repräsentant der studierenden Jugendlichen für drei Jahre deren Führung.
Dass Schulpolitik nicht nur in Gedankenspielen und Konzepten bestand, sondern für Norbert auch tägliche Arbeit war, unterstreicht die Tatsache, dass er jedes Jahr entweder Klassensprecher und Schulsprecher-Stellvertreter oder Schulsprecher und Klassensprecher-Stellvertreter in seinem Gymnasium war und die dortige Schüler-Eltern-Lehrer-Gemeinschaft wesentlich mitgestaltete. Er hatte mir erst vor kurzem erzählt, dass er mit einem Klassenkollegen und Bundesbruder das jährlich wechselnde Funktionsrad zwischen Sprecher und Stellvertreter die ganze Oberstufe am Laufen gehalten hatte.
Bei allem Engagement im MKV kamen seine Verbindungen nie zu kurz. Das Amt des Fuchsmajors hatte er sowohl bei Bavaria – hier mehrfach – als auch bei Rugia inne, legendär ist sein Seniorat bei unserer Bavaria im WS 1983/84 anlässlich des 75. Stiftungsfestes. Die Chronik hält dazu folgendes fest: „Das Jubelsemester wurde allseits als großartiger Erfolg empfunden, sodass die Dechargierung des Seniors mit Ausnahme zur GO mit „bestem Dank und höchster Anerkennung“ erfolgte.“ Wobei: Persönlichen Ruhm zu erringen und Ehrungen zu erhalten, das war Norbert Stanzel nicht wichtig. Ihm ging es darum, die Organisation, den Verein, die Verbindung weiter zu bringen, ihre Entwicklung voranzutreiben, ihr Potenzial auszuschöpfen. Und es ging ihm darum, sich dem breiten Spektrum des Couleurstudententums mit dem Herzen zu verschreiben. Oder um es anders auszudrücken: seiner Emotionalität freien Raum zu lassen!
Ein wesentlicher Eckpfeiler seiner Weltanschauung war das Eintreten für das weltoffene katholische Couleurstudententum und der damit eng verknüpfte Kampf gegen jegliches rechtes Gedankengut. Das Völkische, das Nationale, das lehnte er zutiefst ab und Norbert verschwieg diese Einstellung auch nie. Er stand für eine klare christlich-soziale Ausrichtung der großen Verbände MKV und ÖCV und deren Verbindungen und ebenso für eine klare Abgrenzung gegenüber den schlagenden Verbindungen. Und so handelte er auch immer.
In Anerkennung dieser Einstellung und wegen seiner couragierten Amtsführung als Kartellsenior verlieh ihm die Vorarlberger katholische Mittelschulverbindung Clunia Feldkirch 1988 das Ehrenband. Seine Ablehnung von rechtem Gedankengut beschränkte sich naturgemäß nicht nur auf sein Leben als Couleurstudent. Sie durchzog auch sein berufliches Wirken wie ein roter Faden.
Norbert konnte seine Ideen und Überzeugung nachhaltig und in harter Diskussion vertreten. Doch nie, nie blieb nach so einer Diskussion etwas Persönliches zurück. Er hatte diese herrliche Gabe, mit den Menschen, mit denen er vor kurzen noch im besten Sinne des Wortes und auf intellektuell hohem Niveau die argumentativen Klingen gekreuzt hatte – denn Norbert liebte den Diskurs, die Diskussion, dieses Ausbreiten und Ineinanderlaufen der Meinungen – unmittelbar darauf wieder herzlich lachen und scherzen zu können.
Ob als Fuchsmajor, als Senior, als Philistersenior Bavariae von 1988 bis 1990 – er respektierte die fundierte und intelligente Meinung des Anderen, auch wenn er sie nicht teilte und hatte Verständnis für den Menschen. Allen seinen Bundesbrüdern im MKV und ÖCV war er, wenn sie ihn darum baten, Partner im Gedankenaustausch, Ratgeber oder auch tatkräftiger Unterstützer. Kommunikation war ihm ein Anliegen, er wusste, dass es wichtig war, immer im Gespräch zu bleiben.
Der Journalismus, der später sein Beruf, aber auch seine Berufung, werden sollte, der begleitete ihn praktisch von den ersten Verbindungstagen an. Bereits mit 16 Jahren gab er den Bavarenkurier heraus und auch bei Rugia hatte er zwei Jahre die Funktion des Chefredakteurs der Verbindungszeitung inne.
Norberts beruflicher Weg führte ihn über den Pressedienst der ÖVP direkt in den Printjournalismus, in dem er 16 Jahre wirkte. Der an allem Neuen Interessierte und bereits seit frühesten Jahren politisch Sensibilisierte wurde binnen kürzester Zeit zu einem angesehenen Experten der österreichischen Innenpolitik und der Europapolitik. In der Tageszeitung Kurier war er schließlich stellvertretender Ressortleiter Innenpolitik, während eines zweijährigen Intermezzos bei der Wochenzeitung Die Furche leitete er dort die innenpolitische Redaktion.
Daneben betätigte sich Norbert noch als Gastautor für die deutsche Tageszeitung Die Welt und als Buchautor im Molden-Verlag, in dem er ein Buch über die österreichische Kirchenkrise veröffentlichte.
2005 wechselte Norbert Stanzel zum ORF-Fernsehen, wo er Redakteur für die ZIB 1, die ZIB 2 und die Sendung Hohes Haus war.
In allen seinen beruflichen Stationen als Journalist pflegte er das hohe Gut der journalistischen Unabhängigkeit, blieb immer unbeugsam in seinen wohldurchdachten Positionen. Er sprach mit allen, verwarf geplante Geschichten, die einer intensiven Recherche nicht standhielten, ließ sich nicht abhalten, Stories zu veröffentlichen, die es wert waren veröffentlicht zu werden, aber wehtun konnten. Norbert Stanzel pflegte seine Netzwerke, eines war er aber bei aller Liebenswürdigkeit im Gespräch nicht: korrumpierbar! Das zeichnete ihn aus!
Kein Leben entwickelt sich ausschließlich geradlinig, kein Leben läuft in all den Jahren zu 100% rund. Nach Deinem Abschied aus dem ORF hast Du Dich von allem zurückgezogen und vorerst einmal versucht, Deine Gesundheit wieder herzustellen.
Als Dir das gelungen war, warst Du plötzlich wieder da. Und wie! Hochaktiv, wie wenn es keine Pause gegeben hätte. Du wurdest eine der treibenden Kräfte bei Bavaria, hast Tarockabende organisiert, dabei sogar das Königrufen auf unserer Bude in der Krongasse heimisch gemacht, bei der Programmgestaltung mitgewirkt, wurdest wieder bei Deiner Rugia aktiv, hast dort Funktionen, auch im Philistervorstand, übernommen, den Medienauftritt dieser Verbindung organisiert und gestaltet, die Festschrift zum 111. Stiftungsfest herausgebracht und ihre Aktivitäten in den sozialen Medien koordiniert.
Und Du hattest ein neues Thema gefunden, das Dich in seinen Bann gezogen hat. Die Digitalisierung! Sie sollte in den letzten Jahren Deines Lebens Dein berufliches Wirken, aber auch Deine Arbeit für Deine Verbindungen beherrschen. Wie immer, wenn Dir ein Thema am Herzen lag oder Du etwas für Dich als richtig erkannt hattest, branntest Du dafür. Voller Energie und Elan hast Du Dich mit der Entwicklung und den Schritten ins digitale Zeitalter auseinandergesetzt. Tag und mitunter auch nachts. Mit unermüdlichem Einsatz. Wie eine Kerze, die an zwei Enden brennt.
So nebenbei: Deine Verbindungen profitierten in der Corona-Krise von diesem Interesse. Denn Du hast mehrere virtuelle Veranstaltungen organisiert, dadurch mitgeholfen, die Bundesbrüder zusammenzuhalten und ihnen den Austausch untereinander ermöglicht. Mit Bild und Ton! Die Ausbildung und Weiterbildung lagen Dir am Herzen. Gerade bei der Digitalisierung war Dir klar, dass Wissen und Übung das Um und Auf sind, um sich in der gefühlt immer schneller drehenden Welt behaupten zu können. Das Team von murad & murad, dem Du vier Jahre angehört hast, bedankt sich herzlich für Deinen Einsatz, Deine Vorbildwirkung und Deine umsichtigen Aktivitäten.
Wer jetzt glaubt, dass Norbert Stanzel aufgrund seiner Beschäftigung mit der Digitalisierung vielleicht zum Einzelgänger mutiert wäre, der irrt. Norbert war ein Familienmensch, seine Eltern verehrte er, auf seine Kinder und deren Erfolge war er stolz. Zurecht! Sein Refugium war der Garten in Traismauer, in dem er gerne Besucherinnen und Besucher empfing, noch lieber sich aber der Gartenpflege und der Arbeit an seinen Obstbäumen und Sträuchern widmete. Er konnte stundenlang darüber reden, ohne dass dem Zuhörer fad geworden wäre. Und Norbert pflegte Freundschaften. Auch das konnte er, weil ihn der Mensch interessierte, ohne jeden Hintergedanken. Eine gesellige Runde mit Norbert war Unterhaltung vom Feinsten. Und es ist uns vielleicht ein Trost, dass er nicht nur sein Leben wieder in den Griff bekommen hat, sondern, dass er, wie er selbst mehrfach betont hat, in den letzten Jahren ein durch und durch glücklicher Mensch war.
Nicht jeder weiß, dass Du eine Ausbildung am Instrument Klarinette absolviert hast, nachdem Du schon ab der Volksschule eifrig Blockflöte gespielt hast. Für dieses feine und sensible Musikinstrument war dann, so wie ein Freund es einmal ausgedrückt hat, Dein Musikgeschmack doch eher ruppig. Iron Maiden, Flogging Molly oder New Model Army hatten es Dir angetan. Konzertbesuche wurden langfristig geplant, und auch die musikalischen Darbietungen hast Du immer gemeinsam mit Bundesbrüdern genossen.
Lieber Norbert, wir haben uns heute vor Deinem Sarg versammelt und gedenken Deiner in tiefer Trauer, aber auch in herzlicher Dankbarkeit, in herzlicher Dankbarkeit für die vielen schönen Stunden, die wir mit Dir verbringen durften und auch dafür, dass Du uns das breite Band Deiner vielfältigen Persönlichkeit hast kennenlernen lassen. Du wirst immer einen Ehrenplatz im Gedächtnis Deiner Bundesbrüder und Freunde haben.
„Ist einer unserer Brüder dann gestorben, vom blassen Tod gefordert ab, so weinen wir und wünschen Ruh´ und Frieden in uns´res Bruders kühles Grab.“ Für uns ist heute der Tag des Weinens und des Trauerns um Norbert Stanzel, um unseren Bundesbruder. Aber bereits morgen wollen wir in seinem Sinne weitermachen. Denn er hat uns ein Vermächtnis hinterlassen, das wir erfüllen wollen.
Fiducit, Norbert, fiducit, lieber Freund!
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